Frau Schüttler, was machen Sie gerade?
Mittwochs ist mein Homeoffice-Tag, ich sitze gerade zu Hause vor meinem Notebook und habe die täglichen Mails beantwortet. Gleich werde ich noch die Daten eines neuen Klienten in unserem speziellen Schuldnerberatungsprogramm eingeben und mit dem Programm auch einen Insolvenzantrag für morgen vorbereiten. Ich muss mich auch noch in die Unterlagen für die Teilnahme am neuen Online-Beratungsportal der Diakonie Deutschland einlesen, da wir dort unbedingt teilnehmen möchten….mal sehen, ob das zeitlich heute noch klappt.
Welche Punkte haben sich zum Guten geändert in den vergangenen fünfzehn Jahren?
Also für das Team der Beratungsstelle eigentlich alles:
2016 konnten wir in das jetzige Büro einziehen, wo wir sehr schöne Beratungsräume für alle Mitarbeitenden haben, einen Gruppenraum für die Informationsveranstaltungen und Arbeitskreise, modernere Technik und einen barrierefreien Zugang.
Es ist für die ratsuchenden Menschen sehr wichtig, die Beratung in einem guten Umfeld zu erleben, sie sind ja meistens sehr aufgeregt und gestresst, wenn sie zum ersten Mal kommen. Da sind wir von unserem Träger immens unterstützt worden - also wir bekommen schon gute Laune, wenn wir dort ankommen.
Dann haben wir ja seit 2019 im Verbund mit Caritas und AWO eine neue Vereinbarung mit dem Oberbergischen Kreis erhalten, die uns stellenmäßig sehr verstärkt hat und uns die Möglichkeit gibt, Ratsuchende aller Einkommensarten zu beraten. Diese Vereinbarung ist sehr fortschrittlich und unterstützend, da können andere Schuldnerberatungsstellen in Deutschland zum Teil nur von träumen.
Naja, und ich bin heute im Homeoffice, da war vor 15 Jahren überhaupt gar nicht dran zu denken!
Haben Gesellschaft und Politik Ihre Klienten im Blick?
Im Blick schon, aber der Blick ist aus der Distanz und grenzt aus. Verschuldung ist immer noch etwas, was ‚anderen Leuten‘ passiert und was peinlich ist. Der Umgang mit Geld, also das Planen mit Ein- und Ausgaben wird auch wenig vermittelt.
Wenn in diesen Tagen von Verarmungsgefahr gesprochen wird, habe ich oft den Eindruck, es geht um die furchtbare Schieflage, nur noch zweimal statt viermal in den Urlaub fahren zu können oder weniger Spargel zu kaufen. Die Menschen, die Sozialleistungen bekommen oder deren Arbeitseinkommen gepfändet wird, befinden sich quasi in einer ganz anderen, öffentlich gerne verdrängten Parallelwelt: gar kein Urlaub und kein Spargel. Panik, Miete und Energie nicht mehr zahlen zu können. Angst, dass die Kinder ausgegrenzt werden, wenn sie nicht das haben, was die Freunde alles an Kleidung, Handys etc. vorweisen können. Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und einfach nicht mehr dazu zu gehören.
Wir hatten ja gerade den Diversity Day, da habe ich noch gedacht: Auch Menschen mit geringem Einkommen werden in diesem Land schlichtweg diskriminiert.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schüttler.
Die Fragen stellte Judith Thies.
Kontakt
Schuldner- und Insolvenzberatung
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Schuldnerberatung.anderagger@~@ekir.de
Vom 30. Mai bis 3. Juni findet die 23. bundesweite Aktionswoche Schuldnerberatung statt.
www.ekagger.de | jth | Fotos: Christina Krause, Mark Stadler, Schuldnerberatungsstelle